Baby-Boomer


Was einem heute auffällt, wenn wir durch die 60er-Jahre reisen, sind die Kinder. Immer und überall fand man jemanden zum Spielen. Von den Statistikern werden wir damaligen Kinder, also die Ende der 50er bis Ende der 60er Geborenen, als geburtenstarke Jahrgänge oder auch Baby-Boomer bezeichnet. Einzelkinder waren zu dieser Zeit selten und häufig unehelich. Zwei, drei oder mehr Geschwister waren nichts ungewöhnliches. In den Nachkriegsjahren mussten sich die Familien erst wiederfinden, viele Männer waren noch in Gefangenschaft und Millionen von Flüchtlingen auf der Suche nach einer neuen Heimat. Städte lagen in Trümmern, Wohnraum war knapp. Keine günstigen Umstände für hohe Geburtenraten.

Diese stiegen jedoch parallel mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und den damit verbundenen Anstieg des Lebensstandards ab Mitte der 50er steil an. Zudem gehörten die letzten geburtenstarke Jahrgänge der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik (Mutterschaftsorden) Ende der 30er-Jahre inzwischen zur Elterngeneration. Die Geburtenzahlen erreichten im Jahr 1964 mit 1.357.304 Lebendgeborenen ihren Höhepunkt, gingen dann langsam zurück und fielen Anfang der 70er noch unter das Niveau der Nachkriegsjahre. 40 Jahre später, zu Anfang des neuen Jahrtausends, war die Zahl der Geburten nur noch halb so hoch wie Mitte der 60er-Jahre.

Einige gaben der Verbreitung des Fernsehens die Schuld an dem starken Rückgang der Geburtenrate. Wahrscheinlichere Gründe sind jedoch:

- Der steigende Wohlstand führte zu höherem Anspruchsdenken. Man wollte sich mehr leisten. Die Prioritäten verschoben sich von einer Werte- hin zu einer Warengesellschaft. Der Konsum wurde zum Lebensziel Nr. 1. Um den Ansprüchen gerecht zu werden, nahmen immer mehr Frauen eine Erwerbstätigkeit an.

- Durch die Emanzipationsbewegung veränderte sich das tradtionelle Familienbild. Frauen suchten nach Anerkennung und Bestätigung in der Berufswelt. Längere Ausbildungszeiten und berufliche Karierrewünsche führten bei den Frauen zu einer Zunahme des Alters bei den Erstgeburten.

- Die "sexuelle Revolution" der 60er-Jahre brachte ein neues Verständnis der Sexualität, bei dem nicht mehr die Zeugungsfunktion im Vordergrund stand. Neue Verhütungsmittel (Anti-Baby-Pille) kamen auf dem Markt. Die Jugendlichen waren aufgeklärter und "passten besser auf". Ungewollte Schwangerschaften wurden seltener, der Nachwus konnte besser "geplant" werden.

- Die Selbstfindungstrips der Hippie-Bewegung führte zu stärkerer ICH-Bezogenheit. Unter dem Mantel der Selbstverwirklichung bereitete sich der Egoismus aus. Man wollte sich erst selbst verwirklichen, Karriere machen, etwas erleben, bevor man sich band und Verantwortung auch für andere übernehmen musste.

Was immer die Gründe gewesen sein mögen und ob man den Geburtenrückgang nun gut oder schlecht findet, die Auswirkungen der "Bevölkerungsexplosion" der 60er-Jahre spüren wir noch heute in Gesellschaft und Wirtschaft. Die Baby-Boomer sind zum demografischen Faktor geworden und führen zu einer überalterten Gesellschaft.

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