Erziehung

Die Erziehung zu Beginn der 60er unterschied sich kaum von der Erziehung der vorangegangenen Jahrzehnte. Die Elterngeneration erzog ihre Kinder, wie sie es von ihren Eltern gelernt hatte. Aufgewachsen zu Zeiten des Kaiserreiches und des Nationalsozialismus kannten diese Generationen nur den autoritären Erziehungstil, bei dem das Kind durch Befehle und Anordnungen entsprechend den Vorstellungen des Erwachsenen gelenkt wurde. Den Kindern wurde vorgegeben was sie zu tun und zu lassen hatten. Kindliche Wünsche und Bedürfnisse wurden dabei nur wenig beachtet.

Gehorsamkeit, Pflichterfüllung und Disziplin galten als oberste Tugenden und wurden den Kindern sowohl in Schulen und Erziehungsanstalten als auch innerhalb der Familien gepredigt und falls das nicht fruchtete, im wahrsten Sinne des Wortes eingebläut. Körperliche Züchtigung war gesellschaftlicher Konsens und bis in die 70er die wohl häufigste Erziehungsmethode. 1973 wurde die Prügelstrafe an deutschen Schulen offiziel abgeschafft (in Bayern 1980) und 1989 wurde eine gewaltfreie Erziehung als Recht des Kindes festgeschrieben. In den 60ern hatten die Kinder zu gehorchen, Widerspruch wurde nicht geduldet und Erklärungen gab es nicht. Das Eltern-Kind-Verhältnis war entsprechend distanziert. Doch die Zeit des Wandels und Aufbruchs machte auch vor der Erziehung nicht halt. Erste Zweifel an der Richtigkeit dieses Erziehungstils wurden laut. In Zeitschriften und im Rundfunkfunk tauchte immer öfter das Thema Erziehung auf und im damals noch jungen Fernsehen wurde in der Sendung "Treffpunkt mit dir" öffentlich über "Erziehung und Dressur" diskutiert (07.01.1963).

Uns Kindern der 60er brachten die neuen Erkenntnisse jedoch noch nichts. Erzogen wurden wir noch immer autoritär, sowohl in der Familie, als auch in der Schule. Erst als die Nachkriegsgeneration selber zu Eltern wurde, wandelte sich die Erziehung immer mehr von autoritär hin zu antiautoritär. Zwänge wurden abgebaut und den Kinder mehr Freiraum gewährt. Ziel war nicht mehr Gehorsamkeit und Disziplin sondern Persönlichkeit und Selbstbewusstsein. Ausgangspunkt dieses neues Erziehungstils, der antiautoritären Erziehung, waren die Kinderläden Ende der 60er Jahre. In der Öffentlichkeit entstand zunächst jedoch zum großen Teil der Eindruck einer chaotischen, richtungslosen Erziehung. Häufig wurde der neue Erziehungsstil missverstanden und man meinte, die Kinder könnten machen, was sie wollten und ihren Erziehern auf der Nase herumtanzen. Viele der damals entwickelten Methoden haben die heutige Erziehung nachhaltig beeinflusst, wenn auch der Begriff antiautortäre Erziehung heute kaum noch gebraucht wird und man eher von demokratisch, liberal oder emanzipatorisch spricht.

Klicken Sie mit der Maus auf ein Bild, um eine vergrößerte Ansicht zu erhalten.

Abbildungen (von oben nach unten):
1: Sendung "Treffpunkt mit dir" vom 07.01.1963, HÖRZU, Ausgabe 1/1963, Axel-Springer-Verlag
2: Artikel "Die Revolution beginnt im Kindergarten", HÖRZU, Ausgabe 48/1969, Axel-Springer-Verlag


  • Zurück zur Übersichtsseite