Familienleben
Auch damals fand das Familienleben vor allem am Wochenende und im Urlaub statt. Die wöchentliche
Arbeitszeit sank im Laufe der 60er von etwa 48 auf 42 Stunden, je nach Beruf und Branche. Anfang der
60er war für die meistem Arbeitnehmer der Samstag noch ein Arbeitstag, zumindest der Vormittag.
Es herrschte Vollbeschäftigung. Man hatte noch einen Beruf und keinen Job.
Im Laufe der 60er setzte sich dann so nach und nach die 5-Tage-Woche durch. Allerdings nicht für
Schüler. In den Schulen begann die 5-Tage-Woche Anfang der 70er und damit erst zum Ende meiner Schulzeit.
An den Wochentagen war jedes Familienmitglied mit seinen jeweils vorgegeben Tätigkeiten beschäftigt.
Die Kinder lernten in der Schule und machten ihre Hausaufgaben, der Vater verdiente auf seiner Arbeit das
Geld und die Mutter führte den Haushalt.
Die wenige freie Zeit verbrachte man unter der Woche abends
beim Lesen oder Fernsehen. Haushalt war in den 60ern noch ein Vollzeitjob. Wäsche wurde noch auf dem Herd
in einem großen Topf gekocht, auf der Wäscheleine im Hof getrocknet und anschließend gebügelt.
Löcher in den Socken wurden gestopft, verlorene Hemdknöpfe angenäht, zerissenen Hosen und Jacken
geflickt. Es wurde noch viel selbst genäht, gekürzt, verengt, gerissene Gummibänder ausgetauscht.
Die Zubereitung der Mahlzeiten war zeitaufwändig. Das Geschirr wurde per Hand gespült und abgetrocknet.
Nach dem Saubermachen und Staubwischen wurden die Möbel mit Möbelpolitur und die Böden mit Bohnerwachs
behandelt. Samstag war Kehr- und Badetag. Nachmittags wurden die Höfe und Bürgersteige gekehrt, was
in der Regel von größeren Jungs oder den Männern durchgeführt wurde. Aus den offenen Fenstern
drangen die Sportübertragungen aus den Radios, wo live aus den Fußballstadien kommentiert wurde.
Abends wurde dann gebadet, damit man am Sonntag sauber war. In Wohnungen, die noch kein Bad hatten, wurde die
Blechwanne aus dem Keller geholt und das Wasser zum Baden auf dem Herd erhitzt.
Der Sonntag war Familientag. Am Sonntagmorgen ging der Vater mit dem Nachwuchs spazieren, damit die Mutter
zuhause in Ruhe das Mittagessen vorbereiten konnte. Es gab Fleisch in Form von Schnitzel, Hähnchen,
Rouladen oder Schweinebraten mit Kartoffeln oder Knödeln mit Soße. Dazu je nach Jahreszeit Salate oder
frisches Gemüse und zum Nachtisch Obst, Götterspeise oder auch schon mal ein Eis. Nach dem opulenten Mahl
war Mittagsruhe angesagt, für die Mutter etwas später, da sie erst das Geschirr spülen und abtrocknen
musste. Kinder mussten während der Mittagsruhe still sein. Kein Fernsehen (es lief meist eh noch nichts),
keine Musik aus Radio oder Plattenspieler, kein Krach beim spielen. Die einzigen, über die Zeit der
Mittagsruhe erlaubten Tätigkeiten, waren schlafen oder lesen.
Nach der Mittagsruhe gab es Kaffee und Kuchen, selbstverständlich selbst gebacken.
Ein Sonntag ohne Kuchen ist kein Sonntag, hieß es damals. Für die Erwachsenen gab es Bohnenkaffee und für
die Kinder Malzkaffee. Kaffee trank man entweder bei Verwandten, die man besuchte oder zuhause mit oder ohne
Verwandten, die einen Besuch abstatteten. Gemahlen wurden die Kaffeebohnen noch selbst. Entweder manuell
mittels langsamen Drehens einer Kurbel an der Kaffeemühle oder auch schon elektrisch mit einer elektrisch
betrieben Kaffeemühle. Mit den Handkaffeemühlen konnte der Kaffee, je nach Bedarf, von grob bis ganz fein
gemahlen werden. Das Mahlen des Kaffees erfüllte den Raum mit dem Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen.
Der gemahlene Kaffee kam dann in einen Filter, direkt über die Kaffeekanne wo er mit heißem
Wasser aufgebrüht wurde. Dieser typische Kaffeeduft und -geschmack ging mit den
Kaffee-Vollautomaten und den vakuumverpackten Kaffees verloren. Während die Erwachsenen sich am Kaffeetisch
unterhielten, durften wir Kinder im Fernsehen Kinderstunde sehen. Das waren Sendungen mit der Augsburger
Puppenkiste, den kleinen Strolchen, Flipper oder Bonanza.
Haushalt war reine Frauensache, was dem damals geltenden Rollenverständnis entsprach und im
Familienrecht des BGB (§ 1356) so festgelegt war:
Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung.
Sie ist berechtigt erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar
ist.
Für Frauen, die diese Tätigkeiten nicht von ihren Müttern gelernt hatten oder ihre
Kenntnisse zur Haushaltführung erweitern wollten, gab es Haushaltsschulen oder in einigen Städten auch
spezielle "Bräuteschulen".
In den 60er begann sich dieses traditionbelle Familienbild zu ändern. Die Verbreitung von Kindergärten
und modernen Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen und Wäscheschleudern, entlastete die Frauen bei der
Erziehungs- und Hausarbeit. Gesteigerte Ansprüche wie das eigene Haus, ein Auto oder Urlaubsreisen führten dazu,
dass auch Frauen vermehrt mit Erwerbstätigkeiten zum Haushaltseinkommen beitrugen. Durch das gestiegene Selbstbewußtsein
der Frauen und die aufkommende Emanzipationsbewegung suchten immer mehr Frauen unabhängig vom Familieneinkommen nach
neuen Aufgaben in der Berufswelt. So wurde dann auch der § 1356 BGB im Jahre 1977 der veränderten Realität angepasst:
Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen...
Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.
Über die glücklichen oder auch unglücklichen Frauen der 60er sinnierte Ursula Noack von der
politischen Kabaretttruppe "Münchner Lach- und Schießgesellschaft". Hier ist ein Ausschnitt
aus ihrem Stück "Glückliche Frauen"
aus dem Programm "Halt die Presse" der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" aus dem
Jahre 1963.
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