Neben seinen insbesondere in den 60er/ 70er Jahren äußerst populären Fernsehbeiträgen machte ich mit Prof. Dr. Bernhard Grzimek erstmals ca. Mitte der 70er nähere Bekanntschaft, als mir in der Barmer Stadtbibliothek unvermittelt seine Autobiographie in die Hände fiel, ich diese spontan entlieh und mit wachsendem Interesse zuhause las. Für uns Kinder der 60er Jahre waren dagegen (zumindest für mich) stets die in die Sendung mitgebrachten Tiere von höchstem Interesse, insbesondere dann, wenn sie sich alles andere als fernsehgerecht verhielten
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Der gebürtige Schlesier Bernhard Grzimek gilt heute in weiten Kreisen der Bevölkerung neben dem Geheimrat Goethe als der berühmteste Frankfurter überhaupt. Wenn er mit den Worten "Guten Abend, meine lieben Freunde" zur "Prime Time" auf dem Bildschirm erschien, mußten viele Kinder dieser Jahrzehnte ausnahmsweise noch nicht im Bett sein, sondern konnten sich die "lehrreiche Tiersendung" anschauen.
Das Konzept von "Ein Platz für Tiere" hatten die Programmverantwortlichen des Hessischen Rundfunks Mitte der 50er Jahre einer sehr populären US- Serie abgeschaut, in der der Chicagoer Zoodirektor Martin Perkings aus dem "Reich der wilden Tiere" plauderte. Der HR übertrug das Format auf deutsche Verhältnisse und gewann den Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek als Moderator. "Ein Platz für Tiere" startete im Oktober 1956 mit einem Zeitrahmen von zunächst nur 15 Minuten und gilt heute als drittälteste Eigenproduktion der ARD.
Aufgrund des großen Zuschauerzuspruchs erweiterte man das Format auf 45 Minuten, die in unregelmäßigen Zeitabständen gesendet wurden. Bis März 1987, dem Tod Bernhard Grzimeks, wurden 175 Folgen ausgestrahlt. Damit wurde "Ein Platz für Tiere" eine der erfolgreichsten Sendereihen der deutschen Fernsehgeschichte. Keine Natursendung danach konnte jemals wieder den institutionellen Charakter erreichen, den dieses Format innehatte.
1959 wurde "Ein Platz für Tiere" mit dem Goldenen Bambi ausgezeichnet, erhielt 1969 die Goldene Kamera und 1973 nochmals einen Bambi.
Grzimek wurde in den 60er/ 70er Jahren zur Fernsehinstitution, die in den Folgejahren fast jeder deutsche Parodist im Repertoire hatte. Loriot machte ihn einst mit dem Film über die "Steinlaus" so perfekt nach, daß selbst der Urheber ein Bild des verkleideten Imitators für sein eigenes Konterfei hielt. Dabei genügte nach Loriot eine leichte Verlängerung der Nase, der typische näselnde Tonfall und eine spezielle Art, falsch zu atmen, um wie Grzimek zu wirken.
Doch wir Kinder der 60er Jahre verdanken dem "netten Tieronkel" weit mehr. Grzimek hat uns in informativ- unterhaltsamer Weise das Bewußtsein vermittelt, daß Natur etwas unendlich Wertvolles ist, das unbedingt geschützt und bewahrt werden muß. In den 50er/ 60er Jahren interessierten sich insbesondere männliche Jugendliche oft eher für technische Themenbereiche wie Autos, Raketen oder Flugzeuge. Naturliebe galt zu dieser Zeit eher als antiquiert und rückwärtsgewandt, und Begriffe wie Artensterben und Ökologie waren höchstens ein paar Fachleuten bekannt. Bereits in diesem Zeitrahmen erklärte Grzimek: "Das Abholzen der Regenwälder, die Verschmutzung der Weltmeere, die Zerstörung der natürlichen Lebensräume für Tiere und Pflanzen sind eine noch durchtriebenere, noch unwirklichere Form des Krieges der Menschen gegen sich selbst."
Die Pionierarbeit des Frankfurter Zoodirektors in Sachen Umweltbewußtsein kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Grzimek war jemand, der radikale ökologische Positionen vertreten konnte, ohne daß es ihm seine Zuschauer übelnahmen. Wenn er mit einem Geparden als "Studiogast" auftrat, strahlte er menschliche Wärme, Seriosität und eine unangreifbare Fachkompetenz aus, die fast alle Kritiker verstummen ließ. Diesen Eindruck erreichte er nicht zuletzt durch eiserne Selbstdisziplin. Selbst als sich in einer seiner Sendungen ein Affe auf seinem Jackett entleerte, setzte er das Liveprogramm ungerührt fort.
Seine parteipolitischen Vorlieben äußerte er nur selten. Im Grunde war Grzimek einer jener wertkonservativen Naturschützer, die mir am sympathischsten sind, weil sie in kein Parteiprofil passen wollen. Vertreter dieses Typus wie z.B. Herbert Gruhl oder Baldur Springmannn halfen dabei, die Grünen zu gründen, wurden dann aber später meist von linken Dogmatikern aus der Partei geekelt. Nur für kurze Zeit engagierte sich der Tierprofessor Grzimek für eine Partei: die Grüne Aktion Zukunft, einen Vorläufer der Grünen, für die er erfolglos kandidierte. Anfang der 70er Jahre ernannte ihn Willy Brandt zum Bundesbeauftragten für Naturschutz. Grzimek trat zurück, als er merkte, daß die Sozialdemokraten nur einen populären Grüßaugust ohne weiterreichende Befugnisse wollten.
Eines der dringendsten Anliegen des Tierprofessors war die weltweite Reduzierung der menschlichen Geburten mit Hilfe von Aufklärung und umfassender Familienplanung. Unter jeden Brief, den er versandte, stempelte er diese grundsätzliche Forderung. Doch auch hier gab er zwar deutlich Anstöße, vermied aber direkte Angriffe auf "große Tiere". Als er in diesem Zusammenhang einmal gefragt wurde, warum er in einer seiner Sendungen nie den Papst angegriffen habe, antwortete er: "Ich will mir nicht die künstlichen Feinde schaffen, die mich am Erreichen meiner Ziele hindern könnten".
Im Nachruf einer Zeitschrift wurde behauptet: "Grzimek war ein Radikaler. " Das war er wirklich, aber einer von der konservativen Sorte.