Musiksendungen im Fernsehen



Die erste regelmäßige Musikserie im deutschen Fernsehen war "Musik aus Studio B" und startete am 22. August 1961. Die Sendung lief so etwa alle 6 Wochen wochentags ab 21:00 Uhr, so dass ich sie in den 60ern nicht sehen durfte. Der Name der Sendung leitete sich vom Veranstaltungsort, dem Studio B des NDR-Fernsehzentrum in Hamburg-Lokstedt, ab. Moderator der Sendung war Chris Howland, der zwischen den Musikdarbietungen häufig Comedy-Elemente einbaute, bei denen er regelmäßig von "Ich kauf mir lieber einen Tiroler Hut"-Billy Mo unterstützt wurde. Gesungen wurde ausschließlich in deutsch, auch von internationalen Gästen anderer Sprachen (Adamo, Gitte, Peggy March, France Gall, Petula Clark u.a.).

Das englischsprachige Gegenstück zu "Musik aus Studio B" war der Beat-Club, die erste deutsche Musiksendung mit englischsprachigen Interpreten speziell für ein jugendliches Publikum. Er startete am 25. Sept. 1965 im ersten Programm mit dem Moderatorenpaar Uschi Nerke und Gerhard Augustin. Gerhard Augustin blieb jedoch nur wenige Folgen und wurde später durch Dave Lee Travis und dieser durch Dave Dee von der Musikformation Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich ersetzt. Titelmusik des Beat-Clubs war zunächst "Rinky Dink" von Sounds Incorporated, ab 1968 "A Touch Of Velvet, A Sting Of Brass" von Mood Mosaic.
Erwachsene, bei denen diese Sendung größtenteils auf absolutes Unverständnis stieß, wurden vorgewarnt und um Verständnis für die langhaarigen Leute und ihre laute Musik gebeten. Dabei fing alles noch recht harmlos an. Ruhige Aufnahmen ohne hektische Schnitte, Uschi Nerke im züchtigen Kostüm, die männlichen Studiogäste in Anzügen mit kurzen Haaren. Doch von Folge zu Folge wurden die Sendungen, dem Zeitgeist entsprechend, provokanter. Uschi Nerke trat in immer gewagterer Kleidung auf, die Kleidung der Studiogäste wurde legerer, die Haare der Männer länger, die Minis der Frauen kürzer und vor allem: die Musik wurde härter, dazu wild tanzenende, leicht bekleidete Go-Go-Girls. Die Anfangs ruhige Kameratechnik wich immer mehr hektischen Schnitten und optischen Verzerrungen. Bei den Jugendlichen war diese Sendung schon bald Kult, bei den Erwachsenen löste sie von mal zu mal größeres Entsetzen aus. Da die Sendungen Samstag nachmittags nach 16:00 Uhr liefen, konnte auch ich sie damals schon ansehen, mußte dabei jedoch stets die ablehnenden Kommentare meiner Eltern ausblenden. In den 60ern wurden noch alle Sendungen des Beat-Clubs in schwarz-Weiß ausgestrahlt. Ab der 51. Folge am 31. Januar 1970 wurde in Farbe gesendet. Die Sendezeit steigerte sich von 30 Min über 45 Min auf 60 Min. Wie keine andere Sendung dokumentiert der Beat-Club umfassend die Entwicklung der POP- und Rockmusik der 60er- und frühen 70er-Jahre. Bis 1972 wurden insgesamt 83 Sendungen produziert. Die alten Aufnahmen des Beat-Clubs sind inzwischen auf DVD veröffentlicht worden, so dass man die Musik von damals nicht nur hören, sondern die Musiker auch noch einmal in ihren Jugendjahren sehen kann.
Die Nachfolgesendung des Beat-Clubs, der 1972 eingestellt wurde, war der Musikladen.

Dem Beat-Club wollte das ZDF nicht kampflos das Feld überlassen und startete ebenfalls eine Sendung mit internationalen Popstars: 4-3-2-1 Hot and Sweet, von der 23 Folgen in der Zeit von 1966 - 1970 samstagnachmittags ausgestrahlt wurden (1966 und 1967 in schwarz-weiß, ab 1968 in Farbe). Moderatoren der Sendung waren Suzanne Doucet und der damals erst 16jährige Ilja Richter. Die Sendung wurde jedoch nie eine ernsthafte Konkurrenz zum Beat-Club. Dies schaffte das ZDF erst mit der direkten Nachfolgereihe in den 70ern: DISCO.

Am 14. März 1968 startete im ZDF die Starparade, die 13 Jahre lang mehrmals im Jahr ausgestrahlt wurde. Der Moderator war Rainer Holbe. Gäste waren bekannte Schlagerstars wie Dorthe, France Gall, Peggy March, Graham Bonney, Rex Gildo, Heino, Marion, Roy Black, Manuela und viele andere. Das Orchester der Starparade war das James Last Orchester, das mit dieser Sendereihe erstmals im Fernsehen auftrat. James Last eröffnete mit seinem Orchester die Sendung mit dem Titel Judy in Disguise von John Fred & His Playboy Band und spielte auch zwischendurch den ein oder anderen Instrumentaltitel. Die 50. und gleichzeitig letzte Show lief am 5. Juni 1980.

Die ZDF-Hitparade, wurde am 18. Januar 1969 zum ersten Mal ausgestrahlt und hatte über 30 Jahre Bestand. Bekanntester Moderator war Dieter Thomas Heck, der die Hitparade von Beginn bis 1984 moderierte. Die Interpreten kamen fast ausschließlich aus dem Bereich des deutschen Schlagers. Aus den, von den Interpreten vorgetragenen Titel, konnten die Zuschauer per Postkarte ihren Favoriten wählen. Die ersten Drei durften in der darauffolgenden Sendung noch einmal auftreten. War ein Interpret mit seinem Lied dreimal nacheinander dabei, schied er aus. Damit blieb die Hitparade stets auf einem aktuellen Stand. Die Hitparade lief jeweils Samstags ab 18:50 Uhr im ZDF.

Ach ja, so was ähnliches wie DSDS (Deutschland sucht den Superstar) gab es in den 60ern auch schon. Die Sendung hieß Talentschuppen und wurde am 21.01.1966 im ersten Programm zum ersten Mal ausgestrahlt. Im Talentschuppen stellten junge, noch unbekannte Gesangstalente ihr musikalisches Können vor. Die Sendung war somit der Vorläufer heutiger Castingshows. Moderiert wurde die Sendung in den 60ern von Dieter Pröttel (1966 bis 1973) der diese Funktion auch in den 80ern (1982 bis 1984) noch einmal ausübte. Dazwischen moderierte der Schlagersänger Bill Ramsey den Talentschuppen (1974 bis 1980). Bekannt wurden durch diese Sendung so namhafte Künstler wie Reinhard Mey, Joy Fleming, Michael Schanze, Juliane Werding, Bernd Clüver oder Penny McLean. Ob DSDS heute ähnlich qualitative Stars hervorbringt, wage ich zu bezweifeln.




Abbildungen:
1: Musik aus Studio B, HÖRZU Ausgabe 22/1967, Axel-Springer-Verlag
2: Beat-Club, HÖRZU Ausgabe 43/1969, Axel-Springer-Verlag
3: 4-3-2-1 Hot and Sweet, HÖRZU Ausgabe 50/1969, Axel-Springer-Verlag


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