Als Friedrich Hecker im September 1848 in Le Havre den Dampfer "Herrmann" bestieg, um in die Vereinigten Staaten zu emigrieren, waren all seine Hoffnungen dahin. Der wegen Hochverrats in Deutschland gesuchte Aufständische der "Badischen Revolution von 1848" schrieb in diesen Tagen an seine Mitkämpferin Emma Herwegh: "Es sieht düster aus, die Freiheit verhüllt ihr Haupt, und mich zieht es heimwärts, nach der Heimat, wohin ich mich seit vierzehn Jahren sehne, nach dem Westen Amerikas".
Die Stimmung des badischen Freischarführers entsprach weitgehend der Realität. Nach den Frühjahrsaufständen von 1848 eröffnete die badische Justiz mehr als dreitausendfünfhundert Hochverratsprozesse, hunderte Teilnehmer landeten in Gefängnissen, und der Staat zog die Vermögen, soweit vorhanden, der Inhaftierten ein. In zahlreichen Städten und Dörfern herrschte der Belagerungszustand, und rund dreißigtausend hessische, bayerische und württembergische Soldaten wachten über die politische Ruhe im Land.
Doch während der geschlagene und seinen Verfolgern knapp entkommene Führer des nach ihm benannten "Heckerzugs" den Blick voraus auf sein Leben in den Vereinigten Staaten richtete, wurde er in den Staaten des Deutschen Bundes zum bekanntesten "Helden der Revolution". Schon verkauften Hutmacher "Hecker- Hüte", Nachbildungen seines grauen Schlapphuts, und auch auf Tabakspfeifen, Bierseideln und Broschen wurde sein Konterfei abgebildet. Während Adel und die Bürokratie ihn verdammten, verklärten Teile des Volkes sein Andenken, und Bänkelsänger besangen das Schicksal des "badischen Che Guevara des 19. Jahrhunderts". Die Obrigkeit reagierte mit Strafandrohungen auf das Tragen der "Hecker- Hüte" und das Singen dieser Lieder, was jedoch nichts daran änderte, daß der "Hecker- Mythos" geboren war.
Dabei hatte das politische Leben des jungen Friedrich Hecker, der im September 1811 im badischen Eichtersheim geboren wurde, weitgehend unspektakulär in den Hörsälen der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg begonnen, wo er zum Wintersemester 1830/31 sein Jurastudium aufgenommen hatte. Bereits früh erwachte sein Interesse an der amerikanischen Demokratie, und auch die Entwicklungen im nahen Frankreich verfolgte er aufmerksam. Nach seiner Promotion reiste er im Herbst 1836 nach Paris und besuchte dort die öffentlichen Gerichtsverhandlungen. Zwei Jahre später wurde Hecker, fast zeitgleich mit seinem späteren Kampfgenossen Gustav von Struve, als Advokat am Großherzoglichen Oberhofgericht in Mannheim zugelassen. Im Jahre 1839 heiratete er Marie Josefine Eisenhardt, die Tochter einer wohlhabenden Mannheimer Kaufmannsfamilie, die ihm drei Söhne schenkte, deren Nachkommen noch heute in den USA leben.
Bald kam für Hecker zum Gerichtssaal der Ratssal hinzu, denn 1842 wurde er in den Mannheimer Gemeinrat gewählt. Im gleichen Jahr errang er ein Mandat für die zweite badische Kammer, den Landtag. Allerdings erkannten alte Parlamentarier rasch, daß hier zwar jemand mit großem politischen Talent, aber nur geringer Fähigkeit zu politischen Kompromissen angetreten war. Hecker scheute kein Duell, weder im Plenarsaal noch in Form eines Duells vor den Toren der Stadt. Der Abgeordnete Hecker vertrat im badischen Landtag meist die liberalen Forderungen jener Jahre. Es ging um mehr Meinungsfreiheit, das allgemeine Männerwahlrecht, Vereinigungs- und Pressefreiheit und die Errichtung einer Milizarmee bei gleichzeitiger Abschaffung des Berufsmilitärs. Zu dieser Zeit stand Hecker noch ganz auf dem Boden der gesetzlichen Grundlagen und galt als "konstitutioneller Liberaler", der an Reformen des immer noch weitgehend autokratisch regierten Großherzogtums Baden mitwirken wollte.
Im September 1847 wurde angesichts des zunehmenden Pauperismus in Deutschland und den darunter besonders leidenden unteren Bevölkerungsschichten der Riß zwischen konstitutionellen Reformern und demokratischen Radikalen, die nach einer völligen Umwälzung der Herrschaftsverhältnisse riefen, immer tiefer. Als Hecker feststellte, daß selbst gemäßigte Liberale seine Reformbemühungen sabotierten, sah er keinen Sinn mehr in der Fortführung seiner parlamentarischen Arbeit und legte im März 1847 sein Mandat nieder. Stattdessen wiederholte er gemeinsam mit seinen Gefährten Gustav Struve und Lorenz Brentano auf Volksversammlungen und Freiheitsfesten seine Forderungen, ergänzt um sozialpolitische Töne wie Bildung für alle, die Abschaffung aller Privilegien und eine "Ausgleichung des Mißverhältnisses zwischen Kapital und Arbeit". Spätestens zu diesem Zeitpunkt galten Hecker und Struve der badischen Nomenklatura als potentielle Hochverräter.
Am 5. März 1848 versammelten sich einundfünfzig Vertreter süddeutscher Staaten in Heidelberg, unter ihnen auch Hecker und Struve, und vereinbarten die Einberufung eines Vorparlaments mit dem Ziel, eine deutsche Nationalversammlung vorzubereiten. Doch das Projekt scheiterte , und diese Niederlage wurde zum Wendepunkt im politischen Kampf des damals 47- jährigen Hecker. Nach ergebnislosen Debatten im badischen Parlament fühlte sich Friedrich Hecker zunehmend bedroht, verließ Karlsruhe und reiste über das Elsaß an den Bodensee. Hier traf er in Konstanz auf Franz Sigel, der über fünfhundert Angehörige der Bürgerwehr ausbildete, und auch Gustav Struve und weitere Vertraute standen bereit. Nachts verfaßte Hecker einen Aufruf an das Volk, der mit dem Satz "Sieg oder Tod für die deutsche Republik !" endete, doch die Konstanzer verweigerten sich weitgehend einem Zug der Freischaren. Schließlich beteiligten sich doch rund fünfzig Konstanzer an der Aktion, und ergänzt von den Kolonnen von Sigel und Struve sollte der Marsch auf Karlsruhe beginnen, der das Ziel hatte, den badischen Großherzog aus dem Amt zu jagen und die "Badische Republik" auszurufen.
Doch das militärisch- politische Unternehmen war zum Scheitern verurteilt. Es fehlte an allen Enden an strategischer Koordination und vor allem an Ausrüstung, und auch Hecker selbst ging eher zögerlich vor, da er wußte, wie stark die Einheiten der Bundestruppen waren. Jedoch war er fest davon überzeugt, daß die regulären Truppen nicht auf ihre deutschen Brüder schießen würden. Ein fataler Irrtum, stattdessen nahmen hessische und badische Einheiten die schlecht ausgerüsteten und im Schneeregen halb erfrorenen Revolutionäre am Scheideck- Paß in die Zange, und nach kurzem Gefecht flohen die Freischärler, darunter auch Friedrich Hecker, der zunächst im Kanton Basel unterschlüpfen konnte. Schließlich gewann nüchterner Realitätssinn die Oberhand, und Hecker entschied sich, in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Tatsächlich kehrte er während des "Zweiten badischen Aufstands" noch einmal nach Deutschland zurück, doch als er Straßburg erreichte, hatten preußische Truppen die Revolution bereits endgültig niedergeschlagen, und er kehrte unverrichteter Dinge wieder um.
In den dreiunddreißig Jahren seines Lebens als Bürger der Vereinigten Staaten wurde Friedrich Hecker zu einem der einflußreichsten deutschen Einwanderer aus der Generation der "Forty- Eighters". Er wandelte sich zum erfolgreichen Farmer, betätigte sich als Journalist in den damals noch zahlreichen deutschsprachigen Zeitungen und kämpfte als Offizier und Kommandeur einer eigenen Einheit im Amerikanischen Bürgerkrieg für die Sache der Union. Hecker war einer der wichtigen deutschen Protagonisten der neuen Republikanischen Partei, machte Wahlkampf für Abraham Lincoln und tourte als Vortragsreisender durch die USA. Dabei agitierte er, wie viele Liberale seiner Zeit, nachhaltig gegen die Einführung des Frauenwahlrechts. Zu Hause betrieb er mit seiner Frau Marie Josefine efolgreich Landbau und nahm als liebevoller Vater die schulische Ausbildung seiner drei Söhne selbst in die Hand.
Nur einmal noch, im Jahre 1873, betrat Friedrich Hecker das Land seiner Vorfahren, als er während einer Rundreise von der mittlerweile reichsdeutschen Bevölkerung herzlich empfangen, von der nationalliberalen Presse jedoch wegen seiner ablehnenden Haltung zum deutschen Kaiserreich kritisiert wurde. Zwei Jahre vor seinem Tod schrieb er an den befreundeten "Forty- Eighter" und damaligen amerikanischen Innenminister Carl Schurz: "Drüben wäre ich bei meinem Unabhängigkeitssinne stets vor oder innerhalb der monarchischen "Safe- Keepings locale" gewesen, und zum Maulkorb war meine Schnauze zu ungestaltet".
Friedrich Hecker starb am 24. März 1881 im Alter von neunundsechzig Jahren auf seiner Farm bei Summerfield, Illinois.
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